Wie läuft es bei den Nachbarn?
Berufsanerkennung in Österreich und in der Schweiz: Ein Blick nach nebenan zeigt, wie die Anerkennung in den Nachbarländern funktioniert und was wir voneinander lernen können.
Berufsanerkennung in Österreich und in der Schweiz: Ein Blick nach nebenan zeigt, wie die Anerkennung in den Nachbarländern funktioniert und was wir voneinander lernen können.
Norbert Bichl ist in der Koordination der österreichweiten Anlaufstellen für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen (AST) tätig. Im Interview erläutert er, wie die Berufsanerkennung im Nachbarland funktioniert.
Auch in Österreich haben Personen mit einer ausländischen Berufsqualifikation das Recht auf ein Anerkennungsverfahren. Wie ist das Grundprinzip?
Norbert Bichl: In Österreich ist eine formale Anerkennung nur für die Ausübung reglementierter Berufe wie z. B. Krankenpflegerin oder Lehrer notwendig. Bei einem nicht reglementierten Beruf gibt es die Möglichkeit, akademische und schulische Abschlüsse durch das österreichische Bundesbildungsministerium bewerten zu lassen. Ein Facharbeiter, z. B. ein Mechaniker aus Indien, braucht keine formale Anerkennung. Wenn er ein Unternehmen findet, das ihn als Fachkraft anstellt, kann er den Beruf ohne Anerkennung ausüben. Allerdings benötigen Fachkräfte aus Drittstaaten für die Einwanderung nach Österreich immer eine sogenannte Rot-Weiß-Rot-Karte. Mit dieser haben sie das Recht, sich für 24 Monate hier niederzulassen und eine Erwerbstätigkeit bei einem bestimmten Unternehmen aufzunehmen.
Wie laufen die Anerkennungsverfahren ab? Welche Schritte gibt es dabei?
Norbert Bichl: Die Schritte im Anerkennungsverfahren sind ähnlich wie in Deutschland. Zuerst wird geschaut, welche Qualifikationen die jeweilige Person mitbringt. Wir können sie auch finanziell unterstützen, indem wir z. B. die Übersetzungskosten für ein Diplom übernehmen. Anschließend prüfen wir, ob ein reglementierter Beruf vorliegt oder nicht. Der Großteil der Fälle ist nicht reglementiert. Diese Personen werden dann zur Bewertung ihres Abschlusses beraten und auch bei der Antragstellung unterstützt. Sie erfolgt grundsätzlich online.
Bei den reglementierten Berufen wird sehr stark unterschieden zwischen Qualifikationen aus Drittstaaten und solchen aus der EU. Letztere werden von einer Behörde aus dem Gesundheitsbereich gemäß der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie bearbeitet. Handelt es sich hingegen um eine Qualifikation aus einem Drittstaat, werden die Lehr- und Studienpläne miteinander verglichen. Dafür gibt es unterschiedliche Ansprechbehörden auf Ebene des Bundes und der Länder.
Was können Österreich und Deutschland jeweils voneinander lernen?
Norbert Bichl: In Deutschland bildet das Anerkennungsgesetz einen einheitlichen Rahmen für die Anerkennungsverfahren. Das gibt es so in Österreich nicht. Wir haben zwar seit 2016 ebenfalls ein Anerkennungs- und Bewertungsgesetz. Allerdings ist darin das Anerkennungsverfahren nicht geregelt. Es wäre daher hilfreich, wenn wir ebenfalls eine Vereinheitlichung vornehmen würden. Im reglementierten Bereich könnten wir uns stärker am deutschen System orientieren. Indem wir z. B. prüfen, ob ein Berufsabschluss grundsätzlich gleichwertig ist und die Person diesen Beruf in Österreich ausüben kann. Dann könnten wir Fachkräfte gezielter ansprechen. Stattdessen konzentrieren sich die Anerkennungsverfahren bei uns sehr stark auf den Vergleich von Lehr- und Studienplänen. Die Berufserfahrung wird hierbei kaum berücksichtigt. Bei der Fachkräftethematik könnte Deutschland wiederum pragmatischer sein. Ohne Anerkennungsverfahren könnten deutsche Firmen leichter ausländische Fachkräfte in nicht reglementierten Berufen einstellen.
Das Interview mit Norbert Bichl fand im Januar 2023 statt.
Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen
Koordination – Anlaufstellen für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen (AST)
Norbert Bichl
E-Mail: n.bichl@migrant.at
Auch in der Schweiz ist eine Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikation nur für reglementierte Berufe notwendig. Aber: Je nach Kanton fällt die Reglementierung unterschiedlich aus.
Fachkräfte sind nicht nur in Deutschland gefragt. Auch die Schweiz versucht, ihren Fachkräftebedarf unter anderem mit Personen aus dem Ausland zu decken. Dafür beteiligt sie sich am EU-System der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen.
Acht Stellen sind in der Schweiz für die Anerkennung zuständig. Eine davon ist das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). An dieses wenden sich Menschen, die z. B. einen Berufsabschluss im Architektur- und Bauingenieurwesen, im sozialen Bereich, in der Kleinkinderziehung oder im Berufsschulunterricht erworben haben. Das SBFI ist zugleich die Nationale Kontaktstelle für die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen und somit erster Ansprechpartner bei Fragen zur Anerkennung.
Wie geht man nun aber vor, wenn man seine Berufsqualifikation in der Schweiz anerkennen lassen möchte? Dazu rät die Leiterin der Nationalen Kontaktstelle, Sandra Schindler: „Zunächst sollten Ratsuchende sich fragen, an welchem Ort sie ihren Beruf ausüben möchten. Denn zum einen ist die Anerkennung nur für reglementierte Berufe erforderlich. Zum anderen hat die Schweiz vier Landessprachen. Zudem können sich die Voraussetzungen für die Berufsausübung je nach Kanton unterscheiden.“ Ein Beispiel: In den französischsprachigen Kantonen und dem italienischsprachigen Tessin ist der Beruf Architektin und Architekt reglementiert; in den übrigen Kantonen kann der Beruf ohne Anerkennung ausgeübt werden. „Bei vielen Berufen stützt sich die Reglementierung auf kantonales Recht, insbesondere im Ingenieurwesen, im schulischen und sozialen Bereich wie auch teilweise im Gesundheitswesen. Es gibt aber auch einige Berufe, die durch Bundesrecht reglementiert sind, z. B. im Elektroinstallationsbereich und bei den Risikosportaktivitäten. So variiert der Anteil der reglementierten Berufe von Kanton zu Kanton“, erklärt Sandra Schindler.
Viele Berufe sind nicht reglementiert, sodass Fachkräfte direkt mit ihrem ausländischen Berufsabschluss in der Schweiz arbeiten können. Handelt es sich um einen reglementierten Beruf, erfolgt das sogenannte „Gesuch auf Anerkennung“ in digitaler Form. Sind alle Unterlagen bei der Anerkennungsstelle eingereicht, prüft diese die Gleichwertigkeit des ausländischen Abschlusses.
Damit die Anerkennung in Zukunft für Fachkräfte noch einfacher und schneller abläuft, wünscht sich Sandra Schindler mehr Digitalisierung: „Man könnte das Verfahren beschleunigen, indem Nachweise über Qualifikationen nicht immer erst beglaubigt werden müssen. Stattdessen könnten die Berufsabschlüsse online in Registern im Herkunftsland hinterlegt und z. B. mit QR-Code abrufbar sein. Den Nachweis des Diploms könnte man so papierlos erbringen.“ Für die Informationsverbreitung dient „Anerkennung in Deutschland“ als Vorbild: „Ein solches Portal bauen wir aktuell auch in der Schweiz auf. So entstehen mehr Kapazitäten für die Beratung von komplexeren Fällen.“
Das Gespräch mit Sandra Schindler fand im Dezember 2022 statt. Sie leitet die Nationale Kontaktstelle für die Anerkennung von Berufsqualifikationen im Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation in der Schweiz.
Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI)
Sandra Schindler
E-Mail: sandra.schindler@sbfi.admin.ch
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