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Ein Angebot des Bundesinstituts für Berufsbildung

Anerkennung in Humanmedizin

Olesia Hausmann und Larissa Zier sind Mitautorinnen der „Situationsanalyse Humanmedizin“ (2022). Im Interview fassen sie die Ergebnisse der Studie zur Anerkennung von Ärztinnen und Ärzten zusammen.

Worum geht es in der „Situationsanalyse Humanmedizin“?

Larissa Zier: Angesichts des demografischen Wandels besteht ein wachsender Bedarf an Ärztinnen und Ärzten auf dem deutschen Arbeitsmarkt, der zumindest teilweise durch die Einstellung von Fachkräften mit ausländischen Qualifikationen gedeckt werden könnte. Dabei spielt die berufliche Anerkennung eine zentrale Rolle. Deshalb haben wir uns die Prozesse im Anerkennungsverfahren angesehen und gut funktionierende Abläufe wie auch Hürden identifiziert. Der Fokus lag auf Abschlüssen aus Drittstaaten, da diese den Großteil der Beratungsfälle im Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ ausmachen. Aus unserer Analyse leiten wir Handlungsempfehlungen ab, um die bestehenden Prozesse und Regelungen zu optimieren.

Virtuelle Fokusgruppeninterviews mit Expertinnen und Experten aus der Beratung und Qualifizierung im Förderprogramm IQ bilden die Grundlage für die Situationsanalyse. Ergänzend haben wir die Expertise der IQ Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch, der Zentralen Servicestelle Berufsanerkennung (ZSBA) und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) einbezogen. Weitere Studien und Quellen zum Thema wurden bei der Erstellung ebenfalls berücksichtigt.

Anerkennung in Zahlen

Mit 9.636 Verfahren steht der Beruf Ärztin/Arzt auf Platz 2 der Anerkennungsverfahren im Jahr 2021. In der IQ Beratung nimmt der Beruf mit 9.932 beratenen Personen in der Förderrunde 2019-2022 Rang 4 ein. Die häufigsten Staatsangehörigkeiten der Ratsuchenden sind syrisch (17 %), türkisch (8 %) und ukrainisch (7 %). In den IQ Qualifizierungsmaßnahmen belegen Ärztinnen und Ärzte den 1. Platz mit 1.895 Teilnehmenden.

Quellen: Statistisches Bundesamt 2022, NIQ Datenbank (Auswertungszeitraum: 1.1.2019 bis 30.6.2022)

Was läuft bei der Anerkennung in der Humanmedizin gut und wo hakt es noch?

Olesia Hausmann: Die gesetzlichen Fristen für die Gleichwertigkeitsprüfung werden in den meisten Bundesländern weitgehend eingehalten. Vielerorts arbeiten zuständige Stellen und die IQ Landesnetzwerke gut zusammen. Zudem ist positiv hervorzuheben, dass insgesamt im Bundesgebiet ein ausreichendes Angebot an Vorbereitungskursen auf die Kenntnisprüfung besteht und die Termine und Vorbereitungskurse für die Fachsprachprüfung gut ineinandergreifen. Die Erteilung der Berufserlaubnis und anschließende Tätigkeit laufen ebenfalls weitgehend unproblematisch ab. 

Allerdings haben wir zum einen festgestellt, dass die gesetzlichen Vorgaben zum Verfahren nicht immer eingehalten werden. Es kommt z.B. vor, dass Gleichwertigkeitsprüfungen erst ab dem Vorliegen von Nachweisen vorgenommen werden, die laut Bundesärzteordnung eigentlich erst zur Berufszulassung relevant werden (z.B. Sprachzertifikate oder Führungszeugnisse). Oder dass Termine für die Kenntnisprüfung nicht fristgerecht bereitgestellt werden. Zum anderen bestehen teilweise sehr hohe bürokratische Hürden für die Antragstellung, z.B. wenn zuständige Stellen zusätzlich zur Meldebescheinigung noch Arbeitsplatzzusagen verlangen oder wenn Übersetzungen aus dem Ausland nicht akzeptiert werden.

Larissa Zier: Die Anerkennungsverfahren sind zudem mit sehr hohen Kosten verbunden. Bereits die Übersetzungskosten für die notwendigen Unterlagen befinden sich teilweise im vierstelligen Bereich, ebenso die Gebühren für Gutachten und für Vorbereitungskurse auf die Kenntnisprüfung. Nicht alle Anerkennungssuchenden haben ausreichende Rücklagen oder Anspruch auf staatliche Förderung.

Darüber hinaus unterscheidet sich die Verfahrenspraxis teilweise erheblich, obgleich die Anerkennung von Ärztinnen und Ärzten bundesrechtlich geregelt ist. Das betrifft z.B. die Anforderungen an Antragsdokumente, aber auch die Gleichwertigkeitsprüfung selbst. So bestehen teils große Unterschiede zwischen den Ländern hinsichtlich der Möglichkeit eines Verzichts auf die Gleichwertigkeitsprüfung oder der Einbindung der Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe (GfG) oder anderer externer Gutachter. Auch bei den Kenntnis- und Fachsprachprüfungen gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. Diese Heterogenität und Komplexität der Verfahren sind für Fachkräfte schwer nachvollziehbar, vor allem wenn sie sich noch im Ausland befinden.

Wie könnten die Verfahren vereinheitlicht und der Aufwand bei der Antragsvorbereitung verringert werden?

Olesia Hausmann: Man sollte die Vereinfachung des Dokumentenmanagements, die Vereinheitlichung der Verfahren und die Digitalisierung zusammen denken. Es wäre sinnvoll, die gesetzlichen Vorgaben für die Form der einzureichenden Dokumente zu konkretisieren. Dabei wäre darauf zu achten, dass die Hürden für die Antragstellenden nicht zu hoch ausfallen. Zum Beispiel sollten Meldebescheinigungen ausreichen, um die Zuständigkeit der jeweiligen Behörde zu begründen. Diese Konkretisierungen könnten z.B. im Rahmen der demnächst anstehenden Aktualisierung der ärztlichen Approbationsordnung umgesetzt werden.

Der Ausbau der Zuständigkeiten der GfG, die seit August 2022 in ihren detaillierten Gutachten auch die Berufserfahrung und Nachweise zu lebenslangem Lernen berücksichtigt, kann zu einer Zentralisierung und Einheitlichkeit der Anerkennungsverfahren beitragen. Auch die im September gestartete digitale Antragstellung über den Anerkennungs-Finder von „Anerkennung in Deutschland“ ist ein wichtiger Schritt zur Vereinheitlichung der Verfahren.

Bei all diesen Entwicklungen sollte stets darauf geachtet werden, dass die in der Bundesärzteordnung festgelegten Rechte, insbesondere das Recht auf eine Gleichwertigkeitsprüfung unabhängig von der Prüfung der Voraussetzungen für die Berufszulassung, gewährleistet sind. Auch ist es für eine faire Umsetzung der Verfahren essenziell, dass Anerkennungssuchende frühzeitig über individuelle Optionen und anfallende Kosten informiert werden. Darüber hinaus sollten Antragsformulare und Informationsmaterialien durch Einfache Sprache übersichtlich, nutzungsfreundlich und transparent gestaltet werden.

Welche weiteren Verbesserungspotenziale gibt es?

Larissa Zier: Zur Verbesserung der Anerkennungsverfahren gehört auch eine Verkürzung der Wartezeiten auf Termine für die Kenntnisprüfung. Um das zu ermöglichen, müssen die Institutionen, die für die Abnahme der Prüfungen verantwortlich sind, entsprechend personell ausgestattet sein. 

Die Möglichkeit, auf eine Gleichwertigkeitsprüfung zu verzichten und direkt an einer Kenntnisprüfung teilzunehmen, müsste einheitlicher und transparenter gestaltet werden. Diese Option ist für einige Anerkennungssuchende sehr hilfreich, z.B. für Geflüchtete, die nicht alle Unterlagen in der notwendigen Form vorlegen können. Allerdings kommt diese Möglichkeit in einigen Bundesländern auch dann zum Einsatz, wenn alle erforderlichen Unterlagen eingereicht werden könnten. Diese Praxis ist juristisch umstritten und es sollten dahingehend klarere gesetzliche Vorgaben formuliert werden.

Darüber hinaus wäre eine Vereinheitlichung der Verfahrensgebühren und ein Ausbau der finanziellen Unterstützungsinstrumente für Anerkennungssuchende sehr zu begrüßen. Außerdem könnten auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stärker in die Übernahme von Kosten einbezogen werden.

Das Interview mit Larissa Zier und Olesia Hausmann fand im November 2022 statt. Sie sind Mitautorinnen der aktuellen Studie „Berufliche Anerkennung von Ärzt*innen mit einer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation – Situationsanalyse aus Sicht des Förderprogramms IQ“ (Kurztitel: „Situationsanalyse Humanmedizin“). Larissa Zier ist seit 2021 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) für die IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung tätig. Olesia Hausmann ist dort seit 2020 als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und war von 2012 bis 2018 Anerkennungsberaterin im IQ Landesnetzwerk Berlin.

Aufgabe der Fachstelle ist u.a. die fachliche Begleitung und Unterstützung der IQ Landesnetzwerke und Teilprojekte in den Bereichen Beratung und Qualifizierung sowie die Verknüpfung themenspezifischer praktischer Erfahrungen mit wissenschaftlicher Expertise und deren Transfer in die (Fach-)Öffentlichkeit. Die Erkenntnisse der Situationsanalyse basieren auf der Erfahrung mit den Modellprojekten im Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ in der Laufzeit 2019-2022. Ab 2023 werden neue bzw. andere Projekte im Förderprogramm IQ erprobt.

Nachfolgeprojekt der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung ist seit 01.01.2023 die IQ Fachstelle Anerkennung und Qualifizierung. Kontakt für Fragen zur Situationsanalyse: fsaq@f-bb.de

Wichtige Informationen zur Zuständigkeit und Details zum Anerkennungsverfahren z.B. für den Referenzberuf „Ärztin/Arzt“ bieten der Profi-Filter hier im Profi-Bereich und der Anerkennungs-Finder im Fachkräfte-Bereich von „Anerkennung in Deutschland“.

Coverbild der Situationsanalyse
IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung, 2022

Situationsanalyse Humanmedizin

Erfahrungen und Herausforderungen der Anerkennung von Ärztinnen und Ärzten beleuchtet die Studie aus Sicht des Förderprogramms IQ.

Kurzformate zur Studie auf dem Tisch aufgefächert
BIBB, 2022

Kurz­ge­fasst: Qua­li­fi­zie­run­gen zur An­er­ken­nung

Drei Kurz­for­ma­te präsen­tie­ren die Er­geb­nis­se der Stu­die „We­ge zur Gleich­wer­tig­keit“ an­schau­lich und be­rufs­be­zo­gen. Be­trach­tet wur­den an­er­ken­nungs­be­zo­ge­ne Qua­li­fi­zie­run­gen in dua­len Be­ru­fen und Heil­be­ru­fen.